Divertikulose und Divertikulitis
Unter Divertikel versteht man sackartige Ausstülpungen der Darmwand. Meist ist nicht die gesamte Darmwand ausgestülpt, sondern nur die innerste Darmwandschicht (Schleimhaut) durch Schwachstellen in der Darmwand blindsackartig ausgebuchtet. Grundsätzlich können Divertikel im gesamten Verdauungstrakt von der Speiseröhre bis zum Kolon (=Dickdarm) auftreten und auch Beschwerden bzw. Komplikationen verursachen. Am häufigsten sind sie jedoch im linksseitigen Dickdarm, dem Sigma anzutreffen. Im folgenden möchte ich vor allem auf die Divertikelerkrankung des Sigmas (Sigmadivertikulose und Sigmadivertikulitis) eingehen.
Anatomische Vorbemerkung:
Der Dickdarm ist etwa 150 cm lang. Er beginnt in Fortsetzung des Dünndarms im rechten Unterbauch und erstreckt sich rahmenhaft zuerst aufsteigend Richtung Leber, dann quer verlaufend bis zur Milz, weiter absteigend bis ins Becken, um dann siphonartig (Sigmaschlinge) in den Mastdarm überzugehen (Bild 1). Seine Hauptfunktion ist die Eindickung des Stuhles (Wasser wird vom Körper wieder aufgenommen, der Stuhl wird fest). Im Sigma wird hierfür der Kot hin und her bewegt (Pendelperistaltik).
Entstehung von Divertikel:
Entwicklungsgeschichtlich war das Kolon gewöhnt, viele Fasern und unverdauliche Nahrungsbestandteile weiter zu transportieren (Ballaststoffe). Dadurch war der Stuhl weich und voluminös. Die heutige Ernährung in unserer westlichen Welt besteht jedoch zunehmend aus Ballaststoff armer Kost (Zucker, Fleisch und Fett). Dadurch wird der Stuhl fest und schwerer weiter zu transportieren. Obstipation (Verstopfung) ist eine Folge davon. Gerade im Sigma entsteht dadurch aufgrund der Schlingenbildung ein sehr hoher Druck auf die Darmwand wodurch das Ausstülpen der Schleimhaut (=Entstehung von Divertikel) begünstigt wird. Das Sigma wird daher auch als "Hochdruckzone" bezeichnet (Bild 2).
Häufigkeit:
Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit an Divertikulose zu erkranken. Etwa 40% der über 50 Jährigen und mehr als 50% der über 70 Jährigen haben Divertikel. Etwa 10% davon entwickeln Komplikationen.
Klinik:
Divertikulose:
Die Divertikulose bleibt oft klinisch stumm. Typische Zeichen jedoch sind gelegentlicher Schleimabgang, Blutbeimengungen im Stuhl oder einfach Verstopfung. Oftmals ist eine Komplikation der erste Anzeiger. Typische Komplikationen sind:
Blutung:
gerade Leser dieses Journals, respektive "Herzpatienten" nehmen häufig blutverdünnende Medikamente (Antikoagulation) ein, wodurch Blutungen aus dem Darm begünstigt sind.
Stenose (Engstelle):
durch chronisch rezidivierende (immer wiederkehrend) Entzündungen der Divertikel, kann es zum Schrumpfen der Darmwand und damit zu einer Einengung des Durchmessers kommen. Im Extremfall kommt es zum Ileus (Darmverschluss).
Divertikulitis (Entzündung) :
Durch den hohen Druck im Sigma werden während der Peristaltik Stuhlteile in die Divertikel gedrückt. Dadurch kommt es zur Beschädigung der Schleimhaut, Keime können in die Darmwand eindringen und lokal zu Entzündungen führen. Je nach Verlauf unterscheidet man eine unkomplizierte von der komplizierten Divertikulitis (Abszess, gedeckte Perforation, freie Perforation).
Divertikulitis:
Typischerweise verspürt man Schmerzen im linken Mittel -u. Unterbauch. Oftmals wird eine Blasenentzündung vorgetäuscht, da die Sigmaschlinge der Harnblase anliegt. Bei der komplizierten Form entsteht häufig Fieber und heftigste Bauchschmerzen und Zeichen einer Bauchfellentzündung (Peritonitis) wie ein brettharter Bauch, Erbrechen und äußerste Druckschmerzhaftigkeit.
Diagnostik:
Das Gespräch mit dem Patienten über Art und Entstehung der Beschwerden (Anamnese) sowie die klinische Untersuchung sind wichtige diagnostische Schritte und sollten die Verdachtsdiagnose aufkommen lassen.
CT mit Kontrastmitteleinlauf :
die Untersuchung der ersten Wahl! Diese Untersuchung liefert rasch Informationen über den Zustand des Kolons und das Ausmaß der Erkrankung. Sie ist für die Akutdiagnostik geeignet (Bild 3).
Koloskopie:
Zeigt die Darmwand von innen. Sie sollte aber nur nach Abklingen der akuten Symptomatik durchgeführt werden, da es sonst einerseits sehr schmerzhaft und andererseits die Gefahr der Darmwandverletzung zu groß ist (Bild 4).
Irrigoskopie:
Das konventionelle Kontrastmittelröntgen ermöglicht eine gute Beurteilbarkeit der Divertikulose, als Akutdiagnostik ist sie vom CT abgelöst worden (Bild 5).
Therapie:
Unkomplizierter Verlauf:
Üblicherweise sind diätetische und medikamentöse Maßnahmen ausreichend. (flüssige Kost, entzündungshemmende Medikamente, Antibiotika). Bei wiederholten Schüben wird die operative Entfernung des Sigmas zur Vorbeugung der bekannten Komplikationen empfohlen.
Komplizierter Verlauf:
Gedeckte Perforation:
Hierbei ist ein Divertikel durchgebrochen, der Körper konnte jedoch durch Bildung einer Abszessmembran das Austreten von Stuhl verhindern. (Das Loch wurde abgedichtet). Es bleibt jedoch eine Schwachstelle, die mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder zu Beschwerden bis hin zum kompletten Durchbruch führen wird. In solch einem Fall erfolgt die Behandlung stationär unter Nahrungskarenz und intravenöser Antibiotika Verabreichung sowie einer Schmerztherapie. Nach Abklingen des akuten Schubes soll der befallene Darmabschnitt operativ entfernt werden.
Freie Perforation (Durchbruch):
Hier muss sofort operiert werden, da Stuhl in die Bauchhöhle eindringt und zur lebensbedrohlichen Bauchfellentzündung (Peritonitis) führt. Oft ist die Anlage eines vorübergehenden Seitenausganges (Kolostoma) erforderlich!
Abszess:
Je nach Klinik kann der Abszess durch eine gezielt eingebrachte Drainage abgeleitet werden, um den Patienten später elektiv zu operieren oder es wird sofort operiert.
Chirurgische Therapie der Divertikulitis
Ziel der Operation ist es, das erkrankte divertikeltragende Darmstück zu entfernen und die Schlinge (die Hochdruckzone) auszuschalten, zu begradigen. Hierbei werden zwischen 20 und 30 cm Darm entfernt. Dies hat keine funktionellen Nachteile. In Zentren mit entsprechender Erfahrung wird diese Operation minimalinvasiv, d.h. laparoskopisch durchgeführt (Bild 6).
Der Eingriff erfolgt in Vollnarkose und dauert durchschnittlich 90 bis 120 Minuten. Über 4 kleine Schnitte werden eine Kamera und Instrumente in den Bauch eingebracht. Der Bauch wird mit CO2 Gas aufgeblasen, damit ein entsprechender Platz zum Operieren entsteht. So wird besonders schonend das Darmstück ausgelöst und über einen 4-6cm kleinen Schnitt aus der Bauchhöhle geborgen. Mittels moderner Klammernahtgeräte werden die Darmenden wieder vereinigt.
Divertikulose und Divertikulitis
Der Vorteil der laparoskopischen Technik liegt im viel geringeren Trauma und dadurch verbunden entstehen weniger Schmerzen. Ein rascheres Wiedereinsetzen der Verdauung begünstigt den schnelleren Kostenaufbau. Kleinere Schnitte bedeuten eine bessere Kosmetik und ein geringeres Risiko später einen Narbenbruch zu erleiden. Die Patienten erholen sich postoperativ wesentlich rascher, wodurch Folgekomplikationen wie Lungenentzündung, Thrombose oder Embolie geringer sind.
Üblicherweise kann man schon wenige Tage nach der Operation wieder Normalkost essen und das Krankenhaus verlassen.
Vorbeugung:
Bewegung, Normalgewicht, reichlich Trinken, ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung sind die Eckpfeiler einer gesunden Verdauung und damit die beste Prophylaxe.